Unterwegs im Kaukasus 12 - Einer geht noch


Sonnenaufgang
Plötzlich bin ich allein im Küchencontainer. Es ist grausam still vor einer solchen Tour, wenn man seine Erwartungen und seine Freude mit niemandem teilen kann. Irgendwie schlage ich eine halbe Stunde tot, rüste mich mit Steigeisen, Rucksack und öffne die Tür in die Nacht.


Taxi nach Pastuchov

Das Fahrgeld für Sultan stecke ich in den Handschuh und dann stehe ich draußen und gehe in Richtung Pistenraupen.

Meine Mitfahrgelegenheit parkt schon da. Die Bergführerin ist Deutsche, spricht aber englisch mit ihrer Gruppe, und zwar in militärischem Ton. Punkt zwei Uhr röhrt die Maschine auf und es geht hoch, wie vergangene Nacht schon. Ringsum starten andere Raupen, das Wetter lockt Massen an Touristen an den Berg. Und ich meine in der Tat Touristen. Vor Pastuchov überholt uns eine andere Pistenraupe. Sultan stoppt. Der Wendeplatz ist besetzt, wir müssen hier schon raus. Ich hab aber bis oben bezahlt! 

Basislager

Guys, Guys, Guys!

Es nützt nichts, runter, in die Reihe und los. Die Bergführerin ordnet ihre Schäfchen nach Leistungsstärke, es scheint da einen Problemfall namens David zu geben, den sie direkt hinter sich haben will. Dann startet mein Projekt Elbrus endlich mit dem ersten Schritt und ich merke gleich, es startet unendlich langsam. Wie in Zeitlupe kriechen wir im Zickzack den Gletscher hinauf. Bis Pastuchov brauchen wir sicher mehr als 30 Minuten. Im Licht der Stirnlampe sehe ich nur Stiefel und Beine und Schnee, es ist furchtbar öde und langweilig. Hier oben ist es deutlich kälter als an den Botchis, an freien Stellen im Gesicht ist das deutlich zu spüren. Doch es ist windstill und gut zu ertragen. Wir schleichen von Pastuchov weiter den Gletscher hinauf, im Zickzackkurs. Links und rechts überholen sie uns. Auf den Sonnenaufgang warte ich sehnsüchtig, denn dann gehe ich allein weiter, so ist es abgemacht. 

alles bewohnt

Wetterglück und Dankbarkeit


Irgendwann färbt sich rechts der Rand des Weltalls leicht hellblau, dann zart rosa. Es dämmert. Bald schon wird die Sonne die Gipfel ringsum rot ausleuchten und der Himmel wird sich ein Band aus Türkis und Blau um die Stirn legen, während über uns noch die Sterne leuchten. In diesem Moment bin ich dankbar: Weil ich dieses Wunder an zwei Tagen nacheinander sehen darf, weil das Wetter so unsäglich gut zu mir ist, weil diese Gruppe mich mitnimmt, obwohl sie mich nicht kennt, weil die Bergführerin diese Verantwortung übernommen hat, weil Oleg mir diese Chance besorgt hat - auch gegen den Willen unseres deutschen Bergführers. Und ich schäme mich: Weil ich seit dem Start innerlich am Tempo der Gruppe herumnörgele, obwohl ich sie nicht kenne, nichts von ihnen weiß, ihre Geschichte und ihr Leistungsvermögen nicht einschätzen kann. Was bin ich nur für ein Gast?

Bei schönem Wetter kein Thema

Am Rastplatz Pistenraupenruine bedanke und verabschiede ich mich. Ich bin jetzt etwas über 5000 Meter hoch und gehe allein weiter. Oleg setzte großes Vertrauen in mich und ließ mich allein gehen. Was ich nicht weiß, ist: Unten im Tal sitzt Sultan in seiner Pistenraupe und richtet sein Fernglas auf meine rote Jacke, solang sie aus dem Tal heraus zu sehen ist.

Noch bin ich nicht oben. Wie es weitergeht, lest Ihr nächste Woche

Euer Olaf

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