Unterwegs im Kaukasus 11 - Schlaflos im Kaukasus





Es gibt eine zweite Chance! Diese Nacht ist es still draußen, kein Rütteln an den Botchis, kein Pfeifen um die Halteseile, der nächtliche Sturm bleibt aus. Ich liege wach und kalkuliere die Außentemperatur. An Schlaf ist nicht zu denken, die wievielte Nacht nun schon?


Elbrusgletscher

Schlaflos im Kaukasus

Alle halbe Stunde schaue ich auf die Uhr, als wenn die Zeit mir einen Gefallen schulden würde. Die anderen scheinen zu schlafen, zumindest bis dieses Handy bimmelt. Den Klingelton kenne ich nicht, bis aus dem Raum der Hinweis kommt, das sei Olegs Handy, meine Notfallleitung für den Aufstieg in dieser Nacht. Schnell zerre ich es aus der Tasche und schaffe Ruhe. Ja, ich darf nochmal hoch, und ich freue mich darauf. Wenn man auf diesen Pritschen wenigstens liegen könnte!

Gegen 23:30 Uhr rüsten sich die fünf Jungs aus der Nachbartonne zum Abmarsch. Ich höre ihre Schritte, das Kratzen der Steigeisen auf dem Beton. Und ich bedauere mich ein wenig, was für eine Herausforderung!

Noch eineinhalb Stunden. Eigentlich könnte ich ja länger liegen bleiben, Sultan startet seine Pistenraupe erst um zwei Uhr. Aber das Frühstück ist für ein Uhr mit Galina abgesprochen, sie steht extra für mich allein auf. Darf man das um die Uhrzeit Frühstück nennen? 

Generator

An welchen Sch... man so denken muss!


Wenn man so herumliegt und keine Chance auf Schlaf findet, kreist das Hirn um jeden Mist. Angst zum Beispiel. Weder die Höhe noch die Kälte machen mich nervös, ein gewisses Vertrauen in die Fähigkeiten meines Körpers hab ich ja. Zumindest in die, die ich kontrollieren kann. Es gibt aber Dinge die laufen ohne meine Kontrolle ab, Verdauung zum Beispiel. Ich hab irre Schiss davor, im wahrsten Sinne des Wortes. Es gibt schönere Urlaubserinnerungen, als die, mit nacktem Hintern in Sichtweite einer Gruppe Menschen zu hocken, mit der man den ganzen Tag an einem Seil hängt; und ich weiß, wovon ich rede! Über solchen Scheiß denkt man nach, wenn man wach liegt und auf den Abmarsch wartet. Ich überschlage den Schokoladenkonsum der letzten Tage. Hoffentlich reicht das für die nächsten 14 Stunden.

Zwölf Stunden sind für Auf- und Abstieg geplant. Von Pastuchov bis zum Gipfel 1000 Höhenmeter, Start bei 4700 Meter, Ende bei 5642 Meter. Schade, dass Jewgeni gestern schon oben war. Ein zweites Foto mit ihm am Gipfel, das wäre doch klasse gewesen. Kurz vor ein Uhr, jetzt reichts mir, ich stehe auf. Andrea ist auch wach, kurzer Abschied, ich schnappe meine Habseligkeiten und verschwinde. 

Wohnheim für Pistenraupenpiloten

Frühstück bei Galina


Es ist kalt, sagen wir angenehm kalt. Ich schätze vielleicht zehn Grad unter null, vielleicht auch zwölf, ein Thermometer gibt’s hier nicht. Sternenklarer Himmel, Richtung Pastuchov ziehen die Lichterketten der frühen Gruppen. Wer da oben zeltet hat es ohne Frage näher.

Galina wünscht mir einen guten Morgen, na danke! Mein Haferbrei ist schon heiß, das Lunchpaket gepackt, ich tune es ein wenig mit herumliegenden Schokoriegeln. Kaum vorstellbar, aber es gab eine Zeit, da wollte ich auf Schokolade komplett verzichten. Wir sind nun zehn Tage in Russland und vielleicht liegts an der russischen Schokolade: Mein Russisch ist wieder auf einem Niveau über Guten Tag Gute Nacht angekommen. Und so bilde ich mir ein zu verstehen, dass Galina selbst Marathonläuferin ist. Wir quatschen ein wenig, doch ich bin zu nervös, um mir etwas zu merken und mir Notizen zu machen.

Mahlzeit
Ob ich´s tatsächlich hoch geschafft hab, erfahrt Ihr nächste Woche

Euer Olaf

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