Unterwegs im Kaukasus 16 - Der Postmeister von Naltschik


Erst nach und nach fällt uns auf, wie sauber diese Stadt ist. Nirgendwo fliegt Papier herum oder Plastikmüll, keine leeren Flaschen am Straßenrand, keine Überbleibsel vom letzten Gassigang, der ganze Park ein Meer aus Blumenbeeten. Es gibt einen schicken Boulevard mit schnuckeligen Cafes und Restaurants. Wir fühlen uns ein wenig wie Prominente, als uns beim Besuch des "Greenwich Cafe" die Bedienung fragt, ob sie uns für den Instagramauftritt des Restaurants fotografieren darf.


Z-Promis

Sofort wurden Köchin und Bedienung herbeizitiert und wir durften posieren. Das Essen war übrigens fantastisch. Wir schlendern weiter, stopfen uns an jeder Ecke mit leckerem, russischen Eis voll. 



Klar gibt es die bröckelnden Fassaden, die Wohnsilos aus der Sowjetzeit. Aber im Großen und Ganzen sticht Naltschik deutlich gegen das ab, was wir in Russland bislang zu sehen bekamen. 




In einem Geschäft für Outdoor- oder Wanderbekleidung werden wir herzlichst mit Handschlag in Muttersprache begrüßt. Andrea trägt ihr T-Shirt vom Rennsteiglauf, wir könnten auch mit einer Deutschlandfahne über den Schultern herumlaufen. Der Besitzer des Geschäftes hat deutsch studiert und spricht fließend unsere Sprache. Wir erklären woher wir kommen, was wir hier tun und wie die vergangenen Tagen waren. Skeptisch schaut uns der Mann an: Und, wie finden Sie es hier? Es ist sehr häßlich, nicht wahr? Wir sind furchtbar rückständig, sagt er, kein schönes Land.

Es entsteht der Eindruck, er schäme sich. Vielleicht weniger wegen der Hochhausfassaden, sondern wegen der Fassade der Politik? Aber das ist Spekulation.


Alles Ansichtssache


Nein, hässlich finden wir es gar nicht, beteuern wir. Natürlich, es ist nicht Wien oder Paris, aber darum geht es doch gar nicht. Uns ist, wo auch immer, noch nie ein Ladenbesitzer entgegengelaufen, um uns persönlich mit Handschlag zu begrüßen. Außer im Kosovo vielleicht...

Wir bummeln weiter. Was wir noch brauchen sind Briefmarken, und deshalb steuern wir die Hauptpost an. Ja, das ist noch ein Postgebäude: Unzählige Schalter, unterleibslose Postassistentinnen hinter fingerdicken Glasscheiben, und über allem hängt der Geruch nach Bohnerwachs. Vor allem aber: Der typische russische Aufseher im öffentlichen Amt. Angetan mit Uniform, zwei Sterne auf den Schulterstücken, hockt er hinter seinem Tisch in der Halle und hält allein durch seine physische Gegenwart Ordnung und Sicherheit im Hauptpostgebäude der Provinzkapitale Naltschik aufrecht, wenn er nicht eben vor Langeweile gähnt.
Verkehrsberuhigte Zon

Der Postmeister von Naltschik


Jetzt aber sind wir da. Und als er uns ratlos da herumstehen sieht, ist er sofort zur Stelle und grinst breit als herauskommt: Zwei Deutsche, davon einer mit rudimentären Russischkenntnissen. Sofort werden wir adoptiert und zu diversen Schaltern gezerrt, um uns zu den bitter benötigten Briefmarken zu verhelfen. Dass die Karten wahrscheinlich Wochen nach uns in Deutschland ankommen werden, zählt im Moment nicht. Nach einigen Versuchen landen wir am richtigen Schalter. Die unterleiblose Postassistentin wickelt da eben noch eine verzwickte Sache mit der Kundin ab, die schon geraume Zeit vor diesem Schalter wohnt. Das unser neuer Freund die Frau nicht verjagt... Deutlich trommelt er mit den Fingern auf den Tresen und setzt seinen amtlichen Blick auf, das alles dauert ihm viel zu lange. Inzwischen erzählt er uns, dass er seinen Militärdienst in Riga abgeleistet hat und einmal mit dem Zug nach Deutschland zum Manöver gefahren sei. Das muss lange her sein, macht aber nichts, es scheint ihm gefallen zu haben.

 
Das Weiße Haus von Naltschik

Von Mensch zu Mensch

Noch viel mehr erzählt er uns, ich verstehe nicht die Hälfte davon, bin aber doch gerührt von seinen Bemühungen. Irgendwie sind wir in Russland noch nie angemacht worden. Die einzigen die sich anmachen, sind die Politiker. Vielleicht sollten die mal im jeweils anderen Land Briefmarken kaufen.
Endlich dürfen wir die Briefmarken aussuchen. Sie sollen natürlich besonders schön sein, bestimmt der diensthabende Amtmann. Womöglich gäbe es auch eine einzige Marke zu 70 Rubel? Papper-lapapp: Wir sollen doch die schönsten Motive nehmen. Also stückeln sie uns die 70 Rubel aus drei Marken mit verschiedenen Motiven zusammen. Die Karten liegen fix und fertig geschrieben seit einer Woche in unserer Tasche, und nun müssen wir Teile der Grüße mit Briefmarken überkleben, weil der Platz nicht ausreicht. Zum Abschied noch ein Foto. Und natürlich, wiederkommen sollen wir! 

Ach Russland, was sollen wir nur mit dir anfangen? Wenn man einmal über deine kalte Schulter hinweg in dein Herz gefunden hat, lässt du einen nicht mehr hinaus.

Der letzte Teil des Reiseberichtes wartet nächste Woche auf Euch.

Schöne Tage wünscht



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